Die Präzision des Drucks: Die digitale Flut durchdringen
Der Verbraucher von heute wird zur Ablenkung gezwungen – wie Druckerzeugnisse im Zeitalter der digitalen Überflutung eine Insel der Ruhe darstellen
Die Unternehmerin Lizzie Evans hat alles griffbereit, um ein Geschenkpaket für potentielle Kunden zusammenzustellen. Auf der Anrichte ihres Heimstudios hat sie Geschenkpapier und Postkarten mit Fotos ihrer Arbeiten ausgelegt – basierend auf den Farben, die gemäß ihrer Online-Recherche zum Empfänger passen.
„Es ist fast schon meditativ, die Drucksachen zusammenzustellen. Die Liebe zum Detail, die darin steckt, schafft eine Verbindung und gibt dem Kunden das Gefühl: ‚Das ist nur für mich'“.
Die achtunddreißigjährige Evans gründete ihr Unternehmen für Design im Jahr 2009 in einem Londoner Laden. Daraus entwickelte sich eine Designmarke, und heute ist sie eine erfolgreiche Gestalterin von Design-Oberflächen, deren Geschenkpapier, Schreibwaren und Haushaltswaren in Geschäften in ganz Großbritannien verkauft werden. Außerdem ist sie als Coach tätig und berät andere Designer und Geschäftsinhaber darin, wie sie ihre Marken weiterentwickeln, ihre Umsätze steigern und eine gute Work-Life-Balance finden können.
Evans wirbt fleißig um potenzielle Kunden – Einzelhändler oder zukünftige Mentoren – auf Instagram, ihrem YouTube-Kanal, ihrer Website sowie über einen Podcast, in dem sie andere kreative Unternehmer interviewt. Ihre Content-Marketing-Strategie ist ein Tornado aus Reels, Stories, Posts, Blogs und Vlogs. Der Druck ist also eine ruhige Abwechslung für sie – und für ihre Kunden.
„Diejenigen, die Drucksachen erhalten, sehen sie in einem persönlichen Rahmen und nicht in einem vollen Feed. Es ist eine angenehmere Erfahrung. Ich befürchte, dass ich die Menschen online zu oft mit Informationen bombardiere. Ein schönes Paket, das in aller Ruhe geöffnet und durchstöbert werden kann, empfindet hingegen niemand als Belästigung.“
Evans’ Pakete sind das Ergebnis sorgfältiger Arbeit in den sozialen Medien, wo sie das Verhalten, die Interessen und den Geschmack möglicher Kunden beobachtet und deren Arbeiten kommentiert. Ihre Drucksachen sind oft das letzte und entscheidende Puzzleteil – so kann es sein, dass ihre Postsendung schon in der Instagram-Story eines Adressaten auftaucht, bevor es zu einem Verkauf gekommen ist. „Wenn ich das Paket nicht verschickt hätte, hätten sie den Auftrag vermutlich nicht erteilt“, ist sie sich sicher.
Das Beispiel Evans zeigt, dass der gezielte Einsatz von gedruckten Werbemitteln die digitale Flut durchbrechen kann und der Verbraucher das Gefühl erhält, wieder die Kontrolle zu haben.
Die meisten von uns haben Mühe, ihre Online-Nutzung zu kontrollieren. So ergab eine 2021 von der Verbraucher-Informationsplattform Toluna durchgeführte globale Studie unter 8.800 Verbrauchern, dass 31% unter digitaler Überlastung leiden, und 49% bereuen, zu viel Zeit mit digitalen Geräten zu verbringen. Mehr als die Hälfte der Verbraucher lehnt Online-Werbung aktiv ab: 55 % weigern sich, digitale Werbung zu beachten, und 51 % blockieren Online-Werbung sogar.
Harnessing International Attention, ein Bericht der globalen Medienagentur MediaCom aus dem Jahr 2021, liefert nützliche Erkenntnisse darüber, warum die digitale Überlastung die Online-Landschaft zu einem schwierigen Markt machen kann. Der Bericht stützt sich auf Untersuchungen des Technologieunternehmens Lumen und zeigt auf, dass die Aufmerksamkeit der Verbraucher für Werbung abnimmt, wenn die Anzahl der Anzeigen auf dem Bildschirm steigt.
Verbraucher, so die Schlussfolgerung des Berichts, reagieren besser auf Werbung in einem ruhigen Umfeld, das keine kognitive Überlastung auslöst. Intelligent eingesetzt, kann gedruckte Werbung genau solch ein Umfeld bieten.
Die 41-jährige Modedesignerin Fanny Caillol, Gründerin von La Demo, einer internationalen Marke für nachhaltige Kinderkleidung, stimmt dieser Aussage zu. Obgleich La Demo ein Geschäft in Paris sowie Läden in Frankreich, Belgien und New York hat, ist das Internet der wichtigste Marktplatz für Caillol – und ihr ist bewusst, wieviel digitaler Druck auf Verbraucher ausgeübt wird.
“Die Konkurrenz im Internet ist groß. Und manchmal kann das Gefühl aufkommen, wer am lautesten ruft, wird am ehesten gehört. Aber analysiere ich mein eigenes Verhalten komme ich zu einem anderen Schluss: Wenn ich ein paar Tage lang jeden Tag ein Sweatshirt sehe, möchte ich es vielleicht haben. Aber wenn ich es zu oft sehe, bin ich davon genervt und entfolge der Marke auf Social Media. Online-Marketing kann zu penetrant sein.”
Indem sie hochwertige Drucksachen verschickt, schafft Caillol eine direkte Verbindung zu ihren potenziellen Händlern und Kunden, statt ihre Feeds mit Beiträgen zu überschwemmen.
Das wichtigste Marketing-instrument von La Demo ist eine 20-seitige Broschüre mit Fadenheftung. Diese wird auf hochwertigem Recyclingpapier gedruckt und in Umschlägen aus Maisstärke verschickt. „Ich fertige ein Objekt, das man nicht wegwerfen kann“, ergänzt die Unternehmerin. Außerdem transportiert es Caillols Markenwerte und zeigt ihren Kunden, dass sie sich für sie einsetzt.
Auch in den Läden liegen die Broschüren aus – und Caillol hat schon oft erlebt, dass Kunden, die eine mitnehmen, eine zweite Bestellung aufgeben. Für beide Unternehmerinnen liegt der Schlüssel, sich Gehör zu verschaffen, darin, den Kunden ein ausgewogenes Angebot an Informationen zu bieten. Dazu gehört auch die Nutzung von gedruckten Medien als Präzisionskanal. Sie vermitteln ein genaues Bild der Marke und gleichzeitig ermöglichen sie Interessenten und Kunden, sich frei von digitaler Überflutung mit der Marke zu beschäftigen.
Ein Ansatz ohne Pop-ups
Arthur Janzen leitet Fahrwerk, eine Fahrschule in Frankenthal bei Mannheim, die er 2013 im Alter von 26 Jahren gegründet hat. Heute leitet er ein fünfköpfiges Team, das seinen Kunden vom Fahren eines Motorrads bis zu einem Lastwagen alles beibringt. Er muss gerade weitere Fahrlehrer einstellen, um die Nachfrage abzudecken.
Janzen vermarktet sein Unternehmen größtenteils über seine Website sowie über Instagram und WhatsApp. Ein guter Kanal um 70% seiner Kunden im Alter zwischen 16 und 18 Jahren auf sich aufmerksam zu machen. Zwei Offline-Maßnahmen unterstützen ihn dabei, konkrete Verkäufe innerhalb dieser Zielgruppe zu tätigen.
Jedes Jahr druckt Janzen für eine der größten Schulen der Stadt Konzertkarten – mit Werbung für das Unternehmen Fahrwerk auf der Rückseite. Außerdem druckt er für die Schule Hausaufgabenhefte. Während den jungen Kunden Pop-up-Banner im Alltag gar nicht mehr auffallen, werden sie durch diese beiden Ansätze auf ungewohnte Weise überrascht.
Janzen setzt auch immer wieder Flyer ein, die seiner Ansicht nach dafür sorgen, dass „das Geschäft floriert“. Er druckt jedes Jahr neue Flyer – mit neuen Autos, neuen Gesichtern und einem neuen Design. Dabei verwendet er jeweils dickes 300g/m²-Papier. „Ich wähle hochwertige Materialien, welche die Personen gerne anfassen und nicht gleich wegwerfen“, betont er.
5 Möglichkeiten wie Sie das Marken-Erlebnis verbessern können
- Bombardieren Sie Ihre Kunden nicht mit Werbung, um sie zum Kauf Ihres Produkts zu überreden (selbst wenn es im Durchschnitt sieben Kontakte braucht, bis gekauft wird)
- Erfüllen Sie ein Bedürfnis ihrer Kunden und bieten Sie ihnen ein intensiveres Erlebnis mit Ihrer Marke (die Postkarte, die sie selber an den Kühlschrank kleben, ist besser als ein nerviges Pop-up, das ihren Tag unterbricht)
- Vergessen Sie nicht, zuerst an den Kunden zu denken (und erst an zweiter Stelle an Ihr Angebot)
- Versetzen Sie sich immer in die Lage Ihrer Kunden – überlegen Sie, wo und wann Ihre Botschaft am besten ankommt und nicht stört
- Nehmen Sie sich Zeit, um über den digitalen Tellerrand zu blicken