Druckindustrie wehrt sich gegen Postbeschränkungen
Verbände der Druckindustrie wehren sich gegen Interessengruppen und politische Parteien in ganz Europa, die drakonische "Opt-in"-Gesetze fordern, die bedeuten würden, dass die Verbraucher dem Erhalt von Massensendungen ausdrücklich zustimmen müssten.
Vor fünf Jahren leistete Amsterdam Pionierarbeit bei der Einführung eines Opt-in-Systems für gedruckte Massensendungen, das inzwischen in den gesamten Niederlanden angewandt wird. Mit Aufklebern an den Briefkästen können die Einwohner angeben, ob sie Postwurfsendungen (Werbung für eine ganze Postleitzahl, wie Rundschreiben oder Flugblätter usw.), adressierte Massensendungen (mit einer bestimmten Adresse) oder gar nichts erhalten wollen.
Andernorts hat sich im letzten Jahr die Gesetzeslage geändert: Luxemburg hat ein Opt-in-Gesetz eingeführt, das 2024 in Kraft treten soll, und Frankreich hat einen Versuch gestartet, der unadressierte Post verbietet, sofern die Haushalte nicht ein "OuiPub"-Schild an ihrem Briefkasten anbringen. In der Schweiz hat die Grünliberale Partei ein Gesetz vorgelegt, das den Wechsel von Opt-out zu Opt-in vorsieht, ebenfalls mit Hilfe eines Aufklebers am Briefkasten. Und in Deutschland hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) im vergangenen Sommer die Regierung aufgefordert, ein Opt-in-System einzuführen, da jedes Jahr 28 Milliarden Blatt Werbung in den Briefkästen des Landes landen, von denen ein Großteil unerwünscht ist.
Die unbeabsichtigten Folgen der Gesetzgebung
Der luxemburgische Druckereiverband Association des Maitres Imprimeurs erklärt jedoch, dass das neue Gesetz des Landes 200 Arbeitsplätze in der ohnehin schon schwachen Druckindustrie gefährden und sich gleichzeitig auf den Gewinn von Kleinunternehmen auswirken könnte, die auf per Post verschickte Werbung angewiesen sind.
Der Schweizerischen Post zufolge könnten die Auswirkungen solcher Gesetze jedoch noch weitreichender sein: Die Schweizer Vorschläge könnten bis zu 5.000 Arbeitsplätze in der Postindustrie und bei Teilzeitbeschäftigten kosten - keine Überraschung, wenn man bedenkt, dass rund 50 % der in der Schweiz verschickten Post auf Massensendungen entfällt.
Für Mark Davies, Geschäftsführer des Experten für die Zustellung von Werbesendungen Whistl Doordrop Media, werden Opt-in-Systeme weitreichende Auswirkungen haben. "Sie bedrohen die operative und wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Verteilnetze", sagt er. "Dies wiederum hat unvorhersehbare Folgen für die Zustellung von Gratiszeitungen, entrechtet schwächere Bevölkerungsgruppen - insbesondere ältere und ärmere Haushalte, in denen der Internetzugang oder die Internetnutzung nicht selbstverständlich ist - und birgt das Risiko negativer wirtschaftlicher Auswirkungen auf Unternehmen, die nicht in der Lage sind, effektiv zu werben. Sie bedrohen auch Arbeitsplätze in der Druck- und Vertriebsindustrie.
Gesetzgebung könnte unnötig sein
Es stellt sich auch die Frage, ob Opt-in-Gesetze wirklich erforderlich sind, denn in verschiedenen Ländern, darunter Deutschland und Frankreich, gibt es bereits Regelungen, die es den Bewohnern erlauben, Aufkleber anzubringen, wenn sie keine Postwurfsendungen wünschen. Für die meisten Menschen ist unadressierte Post vielleicht gar nicht das Problem. In Deutschland haben sich nur 28,5 % der Menschen für die Opt-out-Regelung angemeldet, während Umfragen zeigen, dass 60 % der Verbraucher vor dem Kauf auf Postwerbung zurückgreifen.
"In Belgien halten 40 % der Menschen die Postwurfsendungen für den wichtigsten Marketingkanal und verbringen durchschnittlich 20 Minuten pro Woche mit deren Lektüre. Doordrops sind nach wie vor äußerst beliebt, bemerkenswert effektiv und erfreuen sich eines hohen Maßes an Verbraucherbindung. Sie sind einer der vertrauenswürdigsten Medienkanäle und sind nur dann 'Müll', wenn sie nicht zielgerichtet oder irrelevant sind."
Hinzu kommt, dass Werbesendungen effektiver werden, wenn sich die Menschen dafür entscheiden, da die Werbung nicht an diejenigen geschickt wird, die kein Interesse daran haben.
Rechtliche Komplikationen beim Opt-in
Letztlich könnten die größten Hindernisse für neue Opt-in-Systeme rechtlicher Natur sein. Das deutsche Justizministerium weist darauf hin, dass die Werbefreiheit im Grundgesetz verankert ist, ebenso wie die Pressefreiheit, die beeinträchtigt werden könnte, wenn die Zeitungen ihre Anzeigenseiten streichen müssten. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte dazu: "Vor einer Gesetzesänderung müsste eine umfassende Abwägung zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Verlage und den Belangen des Umweltschutzes vorgenommen werden."
Hinzu kommt das EU-Recht, wonach jede Opt-in-Regelung gegen die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP) verstoßen könnte, indem sie anderen Marketingkanälen wie den sozialen Medien einen unlauteren Wettbewerbsvorteil verschafft. Die Europäische Kommission hat bereits eine Petition abgelehnt, in der neue Rechtsvorschriften für Massenwerbung gefordert werden.